„Komm und sieh!“

Dominikaner laden Ordensinteressierte zu provinzweiten Berufungstagen ins Wiener Kloster ein

Im Interview geben die neu ernannten Berufungspromotoren der Dominikanerprovinz des Hl. Albert in Deutschland und Österreich, P. Simon Hacker OP und P. Justinus Grebowicz OP, neben einem Einblick in ihren eigenen Berufungsweg auch einen Vorausblick auf das, was die Teilnehmer der provinzweiten dominikanischen Berufungstage vom 3. bis 5. Oktober 2024 im Wiener Kloster S. Maria Rotunda erwartet. Gemäß dem Bibelzitat „Komm und sieh!“ (Joh. 1,46) geht es um das Kennenlernen des Predigerordens und des Lebens in der dominikanischen Gemeinschaft sowie nicht zuletzt durch Impulse, Gespräche und Zeiten der Stille um die Möglichkeit zu prüfen, ob ein Ordensleben als Dominikaner passt. Ganz ohne Druck und ergebnisoffen.

Berufung – wie beschreiben Sie den Begriff aus Ihrer Erfahrung?

P. Justinus

P. Justinus: Irgendwann bemerkt man, dass Gott im eigenen Leben eine immer größere Rolle spielt und man vernimmt so deutlicher Gottes Ruf. Dann gilt es, ein Stück weit in Dialog zu treten. Bei mir selbst geschah das mit 21. Ich dachte darüber nach, dass mich Gott jetzt beruft. Ich hatte zwar schon immer mehr oder weniger bewusst den christlichen Glauben gelebt, aber von da an hörte ich auf das, was Gott sagt und wohin er mich führen will. Von dem Moment an dachte ich darüber nach, ob Ordensleben eine Option für mich ist. Es war einerseits ermutigend, weil ich merkte, dass Irgendetwas konkret wird. Ich spürte eine innere Sehnsucht, die immer größer und – durch die Frage Ordensleben ja oder nein – immer greifbarer wurde.

In dem Begriff Berufung kann aber doch auch Vieles mitschwingen, was hemmt.

P. Justinus: Ich war mir erstmal nicht sicher, wie meine Familie mein Vorhaben aufnehmen würde. So kam es dann auch, dass ich nicht gerade auf Verständnis stieß als ich sagte, ich will Ordensmann werden und ins Kloster gehen. Für mich persönlich kam dann auch die Distanz, die sich auftat. Ich wusste, dass – wenn mich Gott tatsächlich in den Orden beruft ­– ich ein Stück weit weg bin von meiner Heimat und Familie, von meinen Gewohnheiten und meinem Umfeld. Wenn man also den Weg geht, muss man auch in Erwägung ziehen, das alles hinter sich zu lassen. Ehrlich gesagt bin ich dankbar dafür, dass ich immer wieder herausgefordert wurde, um mir bewusst zu machen, warum ich diesen Weg gehen soll und auch möchte. Das ist wichtig, denn Berufung ist etwas ganz Persönliches. Gott beruft mich zur Hingabe, und da kommt nichts dazwischen.

War es bei Ihnen auch so, Pater Simon?

P. Simon

P. Simon: Bei mir war es anders. Ich komme aus einer katholischen Diasporafamilie, in der Glauben immer wichtig war. Ich kann die Frage, ob ich Priester werden will, bis auf mein 14. Lebensjahr zurückverfolgen, sie war in meiner ganzen Jugend Thema. Dann studierte ich Theologie, ohne in ein Priesterseminar einzutreten oder mich einem Orden anzuschließen. Ich wollte mich erst danach entscheiden. Während des Studiums lernte ich den Dominikanerorden kennen und einer der Mitbrüder stellte mir – als ich ihm erzählte, ich würde jetzt doch überlegen irgendwann Priester zu werden – die verhängnisvolle Frage: ,Denk doch mal nach, ob eine Gemeinschaft etwas für dich sein könnte.‘ Daraufhin habe ich zwei Wochen nachgedacht und dann war klar: Wenn überhaupt Priester, dann nur in einer Gemeinschaft. Einige Jahre (und ein paar Umwege) später war ich mir dann sicher, dass mir weder eine Beziehung noch eine Familie das geben können, was ich suche und wozu ich mich berufen fühle. Und da ich nicht allein leben wollte wie ein typischer Diözesanpriester, stand die vorläufige Entscheidung an: Ich versuche es im Dominikanerorden.

Dass Ordensleben für Sie der passende Lebensentwurf ist, wurde Ihnen also erst durch das Mitleben im Konvent klar?

P. Simon: Ich glaube, man kann versuchen, theoretisch Antworten zu geben. Aber irgendwann muss man mal ausprobieren. Das fängt mit dem Besuch eines Klosters oder mit der Teilnahme an Interessententagen an. Selbst das Ablegen der Einfachen Profess nach eineinhalb Jahren der Ausbildung in Postulat und Noviziat ist immer noch ein Versuch. Man verspricht, auf Zeit dabei zu sein – sicherlich mit dem Horizont der endgültigen Bindung auf Lebenszeit. Aber bis diese Entscheidung getroffen wird, vergeht eine lange Zeit. Letztlich kommt man um das Ausprobieren nicht herum. Einem Orden beizutreten, kann keine theoretische Überlegung bleiben, es braucht Fleisch.

Somit bieten die Berufungstage jungen Männern, die prüfen wollen, ob ein Ordensleben als Dominikaner für sie passt, eine ideale Gelegenheit.

P. Simon: Ja. Wir zeigen wer wir sind, indem wir die Interessenten im Konvent mitleben lassen. Wir erzählen von dem, was dominikanische Spiritualität ausmacht, und wie wir leben: Dominikaner sind mobil, werden alle paar Jahre versetzt, haben eine sehr große Bildungstradition und eine synodale, demokratische Grundverfassung, die dem Einzelnen viel Verantwortung gibt. Wir halten am klösterlichen Leben fest und sind gleichzeitig nach außen gewandt.

P. Justinus: Wir wollen einfach das Angebot geben, Ordensbrüder im real life kennenzulernen, damit sich die Interessenten selbst vor Ort einen Eindruck machen können.

Welches Programm erwartet die Teilnehmer bei den Berufungstagen?

P. Justinus: Ein Potpourri. Der rote Faden sind Gespräche mit uns, aber auch der Austausch untereinander sowie mit den Brüdern. Natürlich gibt es auch Zeiten der Stille, des Gebetes, um auf sich sowie auf Gottes Wort zu hören. Wir wollen eine Erfahrung auf Berufungsebene anbieten: Ist das jetzt von Gott der Weg, den ich gehen soll? Und natürlich gibt es Impulse und Vorträge über das, was es heißt „berufen zu sein“ oder was es heißt, ein Ordensleben zu führen, ganz konkret: ein dominikanisches Ordensleben zu führen.

Die Berufungstage sind aber letztlich als ergebnisoffenes Angebot angelegt.

P. Simon: Natürlich. Das Ganze ist keine Rekrutierungsveranstaltung. Wir wollen Ordensinteressierten den Orden als Option aufzeigen. Wir wollen helfen, in persönlichen Fragen des Lebensentwurfs weiterzukommen. Es geht aber niemand eine Verpflichtung ein.

Und wer merkt, dass das Ordensleben tatsächlich ein möglicher Lebensentwurf für ihn ist?

P. Justinus: Dem zeigen wir gerne ein paar Perspektiven auf. Wenn es aber für den Interessenten und für uns passt, dann könnte ein nächster Schritt unser Postulat sein, das im März 2025 beginnt.

P. Simon: Mein erster Besuch in einem Kloster war im Herbst 2012 in Wien. In den Orden eingetreten bin ich dann aber erst 2018. Dazwischen ist eine ganze Menge passiert. Es braucht Zeit; die kann man sich nehmen und die muss man geben. Alles in Freiheit. Die Berufungstage sind nur ein kleiner Schritt – hoffentlich für den ein oder anderen – hin zum Orden.

Hinweis:

Unter dem Motto „Komm und sieh!“ (Joh 1, 46) lädt die Dominikanerprovinz des Hl. Albert in Deutschland und Österreich vom 3.-5. Oktober 2024 junge Männer im Alter von 18 bis 35 Jahren zu „Berufungstagen“ ins Dominikanerkloster Wien, Postgasse 4, 1010 Wien, ein. Die Teilnahme an den Berufungstagen ist über eine Anmeldung bei den Ansprechpartnern für Ordensinteressierte, P. Simon Hacker OP und P. Justinus Grebowicz OP, möglich. Sie stehen unter berufung |at| dominikaner.org gerne auch für weitere Informationen rund ums Leben als Dominikaner zur Verfügung. Anmeldeschluss zu den „Berufungstagen“ per E-Mail (möglichst unter Angabe des Alters und der derzeitigen Tätigkeit) ist der 15. September 2024.

Über die Berufungspromotoren:

P. Simon Hacker OP wurde am 28. Oktober 1989 im brandenburgischen Schwedt/Oder geboren.
Im Jahr 2018 trat er in den Dominikanerorden ein. Am 20. Mai 2023 wurde er gemeinsam mit zwei Mitbrüdern von Christoph Kardinal Schönborn OP zum Priester geweiht. P. Simon lebt im Leipziger Dominikanerkloster und arbeitet als Seelsorger an der Propstei.

P. Justinus Grebowicz OP wurde am 4. Mai 1994 im sauerländischen Warstein/D. geboren.
Im Jahr 2016 trat er in den Dominikanerorden ein. Am 6. April 2024 wurde er von Weihbischof Matthias Heinrich in Berlin zum Priester geweiht. P. Justinus lebt im Berliner Dominikanerkloster und übt in der Bundeshauptstadt seinen Dienst aus.